Mein Freiwilliges Jahr in der Dramaturgie läuft nun schon seit drei Monaten, immer noch bin ich überzeugt, dass Theater irgendwie eine andere Welt ist, die mindestens zeitversetzt arbeitet, die wie eine Zaubermaschine das Publikum etwas klarsehen lässt, während hinter der Bühne alles herumwirbelt – die Möglichkeiten scheinen unendlich, die Wirkungen sind uneingrenzbar und meine Frage fast anmaßend: Was ist Theater?
Ich habe ein ganz furchtbares Timing, wenn man bedenkt, dass ich mich nun genau in dem Moment ins Theater wage, in dem es durch die Kürzungen eine eher unsichere Zukunft bietet. Nun gut – die Verlockung war auch einfach zu groß, es mit einem Freiwilligen Jahr am BE durch den eisernen Vorhang rein in ein waschechtes Theater zu schaffen.
Große Theaterhäuser haben auf mich immer so verschlossen gewirkt, irgendwie unnahbar, aber – eigentlich ist es das gar nicht. Wenn ich jetzt hier so durch die Gänge spaziere (manchmal flitze), habe ich eher das Gefühl, dass unglaublich viel auf einmal passiert, alles detailliert aufeinander abgestimmt ist. Es gibt so viele kleine Rädchen, mehr oder weniger verborgen, die ich vorher noch nicht mal erahnen konnte und die es jetzt zu entdecken gilt. Schlichtweg versuche ich also gerade, durch überhöhten Koffeinkonsum so wenig wie möglich zu blinzeln, um ja nichts zu verpassen.
Erst kannte ich es aus mittelstark einschläfernden Deutschstunden, dann aus Jugendgruppen und schließlich aus gesehenen Stücken, nun schaue ich mir Proben, Vorsprechen, halb geflüsterte Unterhaltungen auf dem Flur oder Premieren an - das alles vorerst für ein Jahr. Währenddessen habe ich Zeit, mir zu überlegen, was Theater für mich ist und was es alles sein kann, ohne den Anspruch, alles vollends zu durchschauen. Es hatte für mich immer schon etwas Magisches und ich habe nicht vor, diese Magie nicht mehr zu sehen, eher möchte ich herausfinden, woher sie kommt, wie sie entsteht, warum sie manchmal fehlt. Ich möchte wissen, wer hier seine Zuflucht findet und ob man sich an diesen verrückten Ort überhaupt flüchten kann, was echt ist und was sich bloß besonders echt anfühlt. Ich möchte lernen, worauf zu achten ist, worauf Theaterschaffende achten, worauf die Welt achtet, ohne zu vergessen, worauf ich sowieso schon achte.
Kurzum: Eine tendenziell theatralische FSJ-lerin teilt ihre spielplanunrelevanten Gedanken hier im Digitalen Magazin, grob auf der Suche nach einer Antwort auf die anmaßendste Frage. Mal schauen, was dabei herauskommt.