Hexenjagd

von Arthur Miller
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Abigail Williams hat mit einer Gruppe junger Frauen entgegen der strengen, religiösen Regeln Salems nachts im Wald getanzt. Um sich zu verteidigen, gehen sie auf das Gerücht ein, jemand im Dorf habe den Teufel beschworen – und so die Mädchen zu diesen heidnischen Tänzen verführt. Ein Gericht wird einberufen, das sein Urteil allein auf die Ausrufungen und Wahnszenen der Mädchen gründet. Wer gesteht, macht sich selbst zur Hexe und bestätigt das Gericht. Wer bei der Wahrheit bleibt, wird gehängt. Das Klima des Misstrauens und die Angst vor der gerichtlichen Willkür fördern die schlechteste Seite der Menschen in Salem zu Tage: Eifersucht, Machtgier und Rache befeuern die Beschuldigungen und Anklagen.

"Hexenjagd" basiert auf den Hexenprozessen von Salem, Massachusetts, bei denen 1692 hunderte Menschen verurteilt wurden. Arthur Millers Bearbeitung entstand in Reaktion auf die Kommunistenverfolgung der so genannte McCarthy-Ära Anfang der 1950er Jahre in den USA. Mit dem ständigen Verdacht auch in den eigenen Reihen gäbe es verdeckte Kommunisten, konnte gegen sämtliche Oppositionelle mit unverhältnismäßig harten Mitteln vorgegangen werden – auch gegen bloße Sympathisant:innen und gegen viele Künstler:innen wurde ermittelt. So gelingt Miller mithilfe historischer Ereignisse die Beschreibung einer durch und durch gegenwärtigen Dynamik: öffentliche Debatten, die in Freund-Feind-Schemata, ideologische Verhärtungen und schließlich in gefährliche Radikalisierung kippen.

Mateja Koležnik ist eine der wichtigsten Theatermacherinnen Sloweniens. Seit 2012 inszeniert sie auch im deutschsprachigen Raum Schauspiel und Oper, u. a. am Burgtheater Wien, der Bayrischen Staatsoper und am Residenztheater in München. Am Berliner Ensemble inszenierte sie bislang Gespenster von Hendrik Ibsen (2020) und Nichts von mir von Arne Lygre (2017).

 

We regularly present performances of "The Crucible" with English surtitles. You can find the dates here. Our box office staff will be happy to tell you from which seats you will have a good sight-line to the surtitles. For the best view of both stage and surtitles, we recommend seats in the stalls (Parkett) from row 11, or in the balconies (1. Rang, 2. Rang). Seats in the side boxes have a partially obstructed view.

Eine Gruppe von Mädchen hat im Wald getanzt und seltsame Rituale vollzogen. Es kommt das Gerücht auf, jemand habe den Teufel beschworen. Statt Strafe bekommen die Mädchen den Status von Zeuginnen und schon bald werden wahllos erste Namen genannt, und immer mehr Menschen stehen unter dem Verdacht mit dem Teufel im Bund zu sein. Viele werden ins Gefängnis gebracht. John Proctor muss dabei zusehen, wie sein jugendliches Dienstmädchen Abigail Williams, mit der er eine kurze Affäre hatte, zu einer der wichtigsten Zeuginnen für das Hexen-Gericht wird. Sie erhebt nun Anklage gegen seine Frau Elisabeth Proctor.

Arthur Millers Stück basiert auf den Hexenprozessen von Salem, Massachusetts, bei denen 1692 hunderte Menschen verurteilt, und 19 hingerichtet wurden. Das Stück schrieb Miller während der so genannten McCarthy-Ära in den USA. Die Gemeinsamkeit dieser Zeit und dem Wahnsinn der Hexenverfolgung liegt vor allem in einer besonderen Geständnislogik: Wer gesteht, macht sich selbst zur Hexe, bestätigt die Anschuldigungen – und ist gezwungen weitere Namen zu nennen. Wer bei der Wahrheit bleibt, wird gehängt. Miller beschreibt aus eigener Erinnerung: „Der Ausschuss für Un-Amerikanische Aktivitäten konnte einem Delinquenten keinen Gesetzesbruch vorwerfen, sondern nur ein geistiges Verbrechen – und zwar die Übernahme einer Ideologie und der Ziele eines politischen Feindes. Der Betreffende wurde vor den Ausschuss zitiert und mit dem Schimpfnamen ,Kommunist‘ belegt. Der Schimpfname konnte ihm jedoch seine berufliche Laufbahn zerstören. Im Grunde lief es auf eine von der Regierung verordnete moralische Schuld hinaus, von der man sich durch rituelle Worte leicht reinwaschen konnte: man intonierte die Namen von Mitsündern und widerrief den früheren Glauben.“

Miller und viele seiner engsten Kolleg:innen aus Film und Theater mussten selbst zu Verhören durch das „Komitee für unamerikanische Umtriebe“ antreten. Es wurde ein gesellschaftliches Klima der Angst erzeugt, um gegen Oppositionelle unverhältnismäßig hart vorzugehen.  Damit gelingt Miller die Beschreibung einer leider immer wieder aktuellen Dynamik, wie sie auch gegenwärtig in Europa beobachtet werden kann: öffentliche Debatten kippen in Freund-Feind-Schemata, kritische Stimme werden zum Schweigen gebracht und Gerichte instrumentalisiert. Das Stück problematisiert nicht nur verbohrte Ideologien, sondern zeigt auch die Entwicklung eines beginnenden totalitären Denkens, das letztlich zu einem System erstarkt, in dem selbst die Mächtigsten, nicht mehr fähig sind, es zu stoppen. Wie kann es dazu kommen, und warum werden so viele zu Mittäter:innen derartiger Systeme? Auf der Suche danach schrieb Miller, während er das Stück entwickelte: „… so machte ich mich – obgleich damals erfolgslos – auf die Suche nach einer wissenschaftlichen Theorie des Menschen, die ernstlich in der Lage wäre, eine Erklärung für so viel Böses zu liefern.“ Vielleicht wäre Arthur Miller bei Hannah Arendt fündig geworden, die 1963, nur 10 Jahre nach der Uraufführung von Hexenjagd ihr Buch Eichmann in Jerusalem veröffentlichte. Darin formulierte sie ihren berühmten und kontroversen Begriff von der „Banalitätdes Bösen“. Wenn auch anhand von sehr unterschiedlichen Fällen, kommen Miller und Arendt zu ähnlichen Beschreibungen: dass man sich das Böse im Menschen nicht als „metaphysische Macht“ vorzustellen habe, „die von bestimmten Individuen vollständig Besitz ergreift“. „Ich glaube vielmehr – aus welchen Gründen auch immer – dass eine Hingabe an das Böse, das hier nicht fälschlich mit dem Guten verwechselt, sondern das als das Böse erkannt und geschätzt wird, auch bei solchen Menschen möglich ist, die einen normalen und angenehmen Eindruck machen“, so Miller.

Und so sieht auch die Regisseurin dieser Inszenierung, Mateja Koležnik, den Ausgangspunkt in Hexenjagd im kleinbürgerlichen Denken der Bewohner:innen Salems. Ein Denken nämlich, durch das jeder Einzelne immer so lange zögert, sich dieser offensichtlich falschen und zunehmend gewalttätigen Entwicklung entgegenzustellen, wie er auch nur den kleinsten Schaden für sein Ansehen oder Besitz fürchten muss. Fast alles, was Arthur Miller brauchte, um daraus ein Drama zu machen, fand er in den Gerichtsprotokollen, die er in Salem studierte: Es geht um Land, Erbe, Ansehen und Eifersucht. Am Ende der ersten Szene sind alle Zutaten vorhanden: generationsübergreifende Konflikte zwischen den Familien Salems, dazu einige persönliche, teils tragische Schicksale, ein rätselhaftes Vorkommnis – und keine greifbare Erklärung. Fehlt nur noch eines: der Teufelsaustreiber. Und genau der ist in Gestalt von Pastor Hale nun unaufhaltsam unterwegs nach Salem. •
Karolin Trachte

 

MIT Marc Benner, Jasha Deppe, Judith Engel, Lili Epply, Wiebke Frost, Bettina Hoppe, Ingo Hülsmann, Gerrit Jansen, Corinna Kirchhoff, Oliver Kraushaar, Tilo Nest, Martin Rentzsch, Sophie Scherrieble, Philine Schmölzer, Veit Schubert, Marc Oliver Schulze sowie Katharina Maria Abt, Lea Nora Härtel, Katharina Beatrice Hierl, Katharina Petrova (Chor)
REGIE Mateja Koležnik BÜHNE Raimund Orfeo Voigt
KOSTÜME Ana Savić-Gecan MUSIK Michael Gumpinger
CHOREOGRAPHIE Magdalena Reiter DRAMATURGIE Karolin Trachte

Pressestimmen

"In der Druckkammer der Lügen: Die slowenische Regisseurin macht aus Arthur Millers Stück ein klaustrophobisches Kammerspiel."Berliner Morgenpost

"Wie gekonnt diese Mädchen ihre Hysterie vorspielen, mit jener Mischung aus lolitahafter Erotik und zelotischem Wahn, das treibt einem die Angst in die Knochen."Frankfurter Allgemeine Zeitung

"Starke Inszenierung"RBB Inforadio

"Mit ihrer Inszenierung von Arthur Millers 'Hexenjagd' am Berliner Ensemble hält Regisseurin Mateja Koležnik der Gesellschaft höchst eindrucksvoll den Spiegel vor."Neues Deutschland

"Bei Mateja Koležnik baut sich das sehr klar und konzentriert auf, und das Bühnenbild ist dabei extrem hilfreich. Die verschachtelte Enge ist einerseits determinierend für das Spiel und erweitert gleichzeitig die Möglichkeiten für eine Akzentuierung unterschiedlicher Perspektiven, die die Regisseurin ausgiebig nutzt."Berliner Morgenpost

"Kühn nimmt die Regisseurin die eingeschränkte Sicht in Kauf. Dem Publikum wird, je nach Sitzplatz, zugemutet, das eine zu sehen, während das andere im Verborgenen bleibt. Wir hören mitunter Text, ohne zu wissen, wer ihn spricht. Wir sehen Figuren hinter einer Säule verschwinden. Wir ahnen, dass etwas vor sich geht, ohne zu wissen, was es ist. Der Zuschauer wird zum genauen Beobachter – und antizipiert den verhängnisvollen Blick der misstrauensseligen Gesellschaft auf der Bühne. Aus einem ausschnitthaften Eindruck von der Realität konstruieren wir uns ein Weltbild."Neues Deutschland