Eine längst morbide Karussell-Landschaft

Zwiespältig steht es um den Ausrufer Liliom, der sowohl als Frauenheld auftritt und zugleich grobe Gewalt reproduziert. In der Audioeinführung zu "Liliom" von Ferenc Molnár erzählt Dramaturgin Amely Haag von der Herangehensweise des Produktionsteams und von der Besonderheit der Neuübersetzung von Terézia Mora. 

Amely Joana Haag und Inke Johannsen | 05.12.24

© Jörg Brüggemann

Bertolt-Brecht-Platz 1
10117 Berlin
Kontakt & Anfahrt

Theaterkasse

+49 30 284 08 155
theaterkasse@berliner-ensemble.de

Der reguläre Vorverkauf für alle Vorstellungen im Januar bis 2. Februar läuft! Unsere Theaterkasse hat montags bis samstags von 10.00 Uhr bis 18.30 Uhr für Sie geöffnet.

Liliom, der verführerischste Ausrufer auf dem Rummelplatz, ein Kenner der Illusionsmaschinerie fürs Volk und gewaltbereiter Gauner, trifft im Karussellbetrieb von Frau Muskát auf das Dienstmädchen Julie und damit auf eine schicksalhafte Liebe. "Es kann doch sein, dass auch aus einem Unmensch ein Mensch wird", fragt Liliom Julie in der Hoffnung, dass er sich verändern kann durch ihre Liebe. Für ihre gemeinsame Sehnsucht nach einem Leben frei von Ausbeutung setzen beide augenblicklich ihre Anstellung aufs Spiel. Arbeitslos fühlt sich Liliom jedoch zunehmend gedemütigt in seinem sozialen Status. Für seine Scham findet er keine Worte, stattdessen schlägt er um sich und diese Schläge treffen Julie. Als diese schwanger wird, steigert sich die Existenznot der werdenden Familie, sodass Liliom heimlich mit seinem Kumpan Stutzer einen Raubüberfall plant. Der Überfall misslingt und Liliom ersticht sich mit dem Messer, um Schmach und Strafe zu entkommen. Im Jenseits jedoch wartet ein Selbstmördergericht auf ihn, welches ihm nach sechzehn Jahren Fegefeuer eine zweite Chance auf Erden verspricht. Er darf seine Tochter Luisa kennenlernen, der Mensch kann sich doch verändern, oder? In Ferenc Molnárs parabelartiger Vorstadtlegende von 1909 ähneln die Menschen Schießbudenfiguren, ungehobelt und fragil zugleich. Christina Tscharyiski inszeniert eine längst morbide Karussell-Landschaft, in welcher die Menschen ihre erfahrene Gewalt in einem ewigen Kreislauf zu reproduzieren scheinen, jedoch die kommende Generation endlich das Schweigen darüber bricht.

 

Ferenc Molnárs "Liliom" ist sein berühmtestes Stück und wurde 1909 in Budapest aufgeführt. 2024 hat Terézia Mora eigens für das Berliner Ensemble eine Neuübersetzung aus dem Ungarischen angefertigt.