© Moritz Haase

Panikherz

von Benjamin von Stuckrad-Barre
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10117 Berlin
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Nach seinem Debüt "Soloalbum" hat Benjamin von Stuckrad-Barre sie doch noch geschrieben: die Autobiographie, mit der keiner gerechnet hat. Ein Greatest-Hits Album, ein Best-Of: kein Soloalbum – sondern der Soundtrack eines selbstzerstörerischen Lebens. Im legendären Hotel Chateau Marmont am Sunset Boulevard schaut Stuckrad-Barre sich selbst beim Schreiben zu – und erzählt von zwanzig Jahren Nachtleben, Drogen, Ruhm und Realitätsverlust, vom Aufstehen und Hinfallen. Keine Recherche, sondern pures Leben. "Aufstieg und Fall in einem Rutsch. Nur aufschreiben würde ich es halt noch müssen, irgendwann, aber natürlich erstmal bis zum letzten Kapitel durcherleben – ohne retardierenden zweiten Akt (where the slow stuff happens) direkt in die Katastrophe."

Es ist schwer zu sagen, wann genau die Party vorbei ist, aber manchmal ist es sogar noch schwerer, den Weg nach Hause zu finden. Benjamin von Stuckrad-Barres Autobiografie Panikherz ist eine im Kern durchaus christliche Erlösungsgeschichte im Gewand eines Popromans. Was gemeinhin als Pop-Literatur bezeichnet wird, ist in erster Linie eine radikal subjektivistische, eine Ich-Literatur. "Nicht persönlich nehmen, wurde mir allseits geraten; allein, wie eigentlich sonst?" Es gibt keinerlei erzählerische Kommentierung, moralisierende Außenperspektive und somit werden traditionelle Vorstellungen von Identitätsfindung, Autonomie und Sinnsuche in Frage gestellt. Und hier fängt das Problem an: Stuckrad-Barre scheitert an dieser entscheidenden Stelle seines Lebensromans. Er bekommt es nicht hin, sein Selbstbild mit der Wirklichkeit kongruent zu machen. Er verfällt der Sünde unserer Zeit: Narzissmus. Also ist es nur konsequent, dass auf der Bühne nicht ein Benjamin von Stuckrad-Barre auftritt, sondern gleich vier. Ein Spiel mit unterschiedlichen Formen von Erinnerung und Selbstbeschreibungen beginnt und stellt die Linearität von Biografie in Frage. Nach und nach wird das Konzept Biografie als Illusion entlarvt. Oliver Reese und das Ensemble haben aus dem gut 500-Seiten-Roman eine Fassung von knapp 40-Seiten destilliert, getragen und weitererzählt von den Songs, die Stuckrad-Barre sein Leben lang begleiteten – vom Prediger des Rock’n’Roll Udo Lindenberg.

Stuckrad-Barre entwickelt eine Essstörung, diese bekämpft er mit Kokain – appetithemmend – und hat schlussendlich auch noch ein Alkoholproblem. In seinen Worten: "Hauptsache, viel." Mischkonsum. Polytox. Aber woher kommt dieser Wunsch nach Entgrenzung, nach Totalität? Trägt das menschliche Leben in sich den Wunsch, sich zu überwinden, die Grenzen zu sprengen? Oder anders: Weshalb eigentlich maßvoll? Und nach wessen Maß? Das Thema des Ich-Verlusts, die Sehnsucht nach Applaus und die anschließende Ich-Findung sind zentral in diesem Soundtrack eines selbstzerstörerischen Lebens. Stuckrad-Barre wird zum Reporter seines eigenen Verfalls und der immer wieder zu scheitern scheinenden Erlösung …
 
"Ich bin ein totaler Suchtmensch, das sagt sich so leicht. Klingt ja auch toll, so nach Leben-am-Rand, waghalsig, lebensfroh. Aber das ist natürlich ein Missverständnis. Das sagen die Leute, die an einer Bar eine Wasabi-Nuss-Etagere von sich schieben: Oh, nee, Suchtgefahr. Und nächtliches Schokolade essen nennen sie sündigen. Das ist natürlich total rührend, also lassen wir sie weiterreden: Ich hatte immer Angst, dass es mir zu gut gefällt. Jaja, genau."

von Valerie Göhring

Pressestimmen

"Oliver Reese hat den Text ernst genommen. Umso mehr die Benjamins leiden, je existenzieller ihre Sorgen werden, desto fieser die Pointen, desto eindringlicher wird der Abend."Süddeutsche Zeitung

"Ein Flow von Drogen, Erfolgen und Abstürzen: Benjamin von Stuckrad-Barres Lebensgeschichte 'Panikherz' wird von Oliver Reese am Berliner Ensemble kongenial auf die Bühne gebracht."Die Welt

"Das Stück lebt von dem Ineinandergreifen des intensiven, impulsiven, teils improvisierten Spiels der Darsteller und der klug komponierten und arrangierten Musik, gespielt von einer fantastischen Band."Die Zeit

"Es gibt eine großartige fünfköpfige Liveband auf der Bühne und was die Darstellerinnen und Darsteller singen ist grandios, die Stimmen sind fabelhaft!"Deutschlandfunk Kultur

"Den ichversessenen Egomanen in ein Quartett aufzuspalten ist auch deshalb überzeugend, weil es Zweifel erlaubt an der nur scheinbaren Folgerichtigkeit biografischen Erzählens: Das Leben ist ja kein Bildungsroman, kein Weg der Urpflanze zur umwerfenden Prachtblume. Vielmehr besteht es aus Zufällen, Umwegen und Zwischenstationen. Und aus Musik. Dass das so gut funktioniert, in keinem Moment langweilig wird und am Schluss zu Recht begeisterten Applaus findet, ist natürlich auch die Leistung des Textes, auf dem alles aufbaut. Reese hat die 564 Seiten des Romans auf 40 Seiten kondensiert, Stuckrad-Barres Stärken funkeln den ganzen Abend hindurch."Berliner Morgenpost

"Der Text von Stuckrad-Barre - gekürzt und verdichtet von Oliver Reese - ist ein Feuerwerk der pointierten Beobachtungen, lustig und scharfzüngig. Er ist gleichzeitig ein hyperaktiver Selbst-Bespiegelungs-Exzess. Untermalt wird das auf der Bühne passend vom jazzigen, nervösen Soundtrack von Jörg Gollasch, live gespielt von einer sechsköpfigen Band."rbb Inforadio