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In New York verliebt sich Eitan in die arabisch-stämmige Studentin Wahida. Eitans jüdische Familie und insbesondere sein Vater David, selbst Sohn eines Holocaust- Überlebenden, können diese Liebe nicht akzeptieren. Der Konflikt eskaliert. Als das Paar nach Israel reist, wird Eitan bei einem Bombenanschlag an der Grenze schwer verletzt und liegt im Koma. An seinem Krankenbett wird ausgesprochen, was lange verschwiegen wurde. Die Liebesgeschichte wird zum Familienkrimi und schließlich zu einer modernen Ödipus-Erzählung. Der im Libanon geborene, frankokanadische Theatermacher und vielfach ausgezeichnete Autor Wajdi Mouawad verfasst mit dem viersprachigen Stück "Vögel" ein gewaltiges und poetisches Bild, das den andauernden Nahostkonflikt genauso in den Blick nimmt wie die Themen Familie, Identität und Schuld – und die ungestillte Sehnsucht, sich davon freizumachen.
In deutscher, englischer, hebräischer und arabischer Sprache, mit deutschen und englischen Übertiteln
Historische Beratung: Natalie Zemon Davis
Übersetzungen von Eli Bijaoui (Hebräisch), Linda Gaboriau (Englisch), Uli Menke (Deutsch) und Jalal Altawil (Arabisch)
In deutscher, englischer, hebräischer und arabischer Sprache, mit deutschen und englischen Übertiteln
In New York verlieben sich Wahida, eine arabisch-stämmige Geschichts-Doktorandin, und Eitan, der Sohn einer deutsch-jüdischen Familie aus Berlin. Eitans Vater David, selbst Sohn eines Holocaust-Überlebenden, kann diese Verbindung nicht akzeptieren. Weder Eitans Mutter Norah, noch der Großvater Etgar können schlichten. Der Konflikt eskaliert und Eitan beginnt sogar, seinen biologischen Stammbaum anzuzweifeln. Auf der Suche nach Antworten begibt sich das junge Paar auf eine Reise nach Israel, wo Eitans Großmutter Leah lebt. Aber an einem Checkpoint werden die beiden getrennt. Während Wahida sich einer Personenkontrolle unterziehen muss, wartet Eitan im Bus und wird dort zum Opfer eines Anschlags. Die israelische Armee startet einen gewaltigen militärischen Gegenschlag, während Wahida im Krankenhaus darauf hofft, dass Eitan aus dem Koma erwacht. Als seine Familie aus Berlin eintrifft, herrschen in Israel bereits kriegsähnliche Zustände, kurz darauf wird auch der Flughafen geschlossen. Die Familie sitzt fest und kann der Wahrheit nicht mehr länger aus dem Weg gehen. Bald wissen alle außer David um das große Familiengeheimnis: er ist nicht Etgars Sohn. Als David dies schließlich erfährt, trifft ihn die Wahrheit über seine Herkunft wie ein Schlag. Währenddessen reist Wahida nach Ramallah und hat Begegnungen, die für sie alles ändern – selbst ihre Liebe zu Eitan.
Wajdi Mouawad verfasste das Stück auf Französisch und ließ es dann für die Originalfassung in die vier Sprachen Deutsch, Englisch, Hebräisch und Arabisch übersetzen. Seit der Uraufführung 2017 in Paris wurde das Stück sowohl in verschiedenen einsprachigen als auch weltweit in der viersprachigen Version zur Aufführung gebracht. Es verhandelt wie kaum ein anderes zeitgenössisches Stück die Themen Identität und Schuld anhand einer Familiengeschichte von antikem Format.
Die Figuren, insbesondere David, Wahida und Eitan erleben eine fundamentale Erschütterung dessen, was sie für ihre eigene Identität halten. David wächst in der Vorstellung auf, als Sohn eines Holocaust-Überlebenden nie aus der unendlichen Schuld gegenüber den Ermordeten heraustreten zu können – die Schuld, überlebt zu haben, Nachkomme zu sein: "Giganten sind sie und Zwerge wir, und erblicken wir die Welt, so deshalb, weil sie uns auf ihren Schultern tragen." Eitans Vorstellung von Identität besteht zu Beginn darin, dass alles, was es über einen Menschen zu wissen gibt, in seinen 46 Chromosomen gespeichert ist. Er ist überzeugt, dass auf diesem Wege keine Geschichten und Erfahrungen unserer Vorfahren weitergegeben werden können – wozu er in seinem Fachgebiet der Biogenetik auch andere Positionen kennen dürfte. Wahida lebt ein Leben in radikaler Unabhängigkeit von ihrer biologischen und kulturellen Herkunft. Sie wuchs ohne Eltern in den USA auf, und glaubt, nichts und niemand außer ihr selbst könne bestimmen, wer sie ist. Alle drei werden in ihren Vorstellungen erschüttert. Identität entfaltet in ihren Lebensgeschichten eine ungeheure Brutalität. Sie alle machen buchstäblich Grenz-Erfahrungen. Grenzen, die für die titelgebenden "Vögel" willkürlich gesetzt erscheinen mögen – und sich dennoch für die Menschen immer wieder als schwer überwindbar erweisen.
Das Stück lässt Referenzen an klassische Dramentexte, wie beispielsweise Shakespeares Romeo und Julia oder Sophokles’ König Ödipus erkennen. An Lessings Nathan der Weise erinnert nicht nur die Enthüllung verborgener Zugehörigkeiten – Recha wächst als Nathans Tochter und somit vermeintlich als Jüdin auf – sondern auch die Rolle eines mittelalterlichen Gelehrten, den Mouawad einführt: Al Wazzan, ein muslimischer Gelehrter, der zum Christentum konvertierte und Berater des Papstes wurde. Ähnlich wie Nathan dem Sultan die Frage nach der wahren Religion mit der Ringparabel beantwortet, erzählt Al Wazzan – in einer traumartigen Szene – dem sterbenden David das Märchen vom Amphibienvogel. Es erzählt von der Utopie, dass Grenzen – biologischer, kultureller oder religiöser Art – nicht unüberwindbar sein müssen. Vielleicht nicht nur im Märchen.
Der Regisseur Robert Schuster hat sich entschieden, das Stück mit acht Schauspieler:innen auf die Bühne zu bringen, vier davon feste Mitglieder des Berliner Ensembles, vier davon Gäste, die verschiedene muttersprachliche Hintergründe mitbringen. Fast alle Spieler:innen haben für diese Inszenierung Texte gelernt, die nicht in ihren Mutter- und Bühnensprachen geschrieben sind. Einige haben dafür monatelang Unterricht genommen. Die Vermischung der Sprachen auf der Bühne, sowie bei der Probe stellten dabei nicht nur eine Herausforderung, sondern auch einen wichtiger Teil der Arbeit dar. Denn das Sprachgewirr ist Thema des Stücks, insofern die Figuren nach ihrer eigenen Sprache und auch nach einer gemeinsamen Sprache suchen. Sprache wird immer wieder als identitätsstiftend und auch als direkt wirkungsvoll thematisiert. Als Eitan im Koma liegt, appelliert der Arzt an die Familie, dass durch das Hören der Muttersprache, Affekte im Patienten angesprochen und dabei Hirnregionen wieder aktiviert und geheilt würden. • Karolin Trachte
MIT Rafat Alzakout, Hadar Dimand, Naomi Krauss, Martin Rentzsch, Philine Schmölzer, Robert Spitz , Dennis Svensson, Kathrin Wehlisch
REGIE Robert Schuster
BÜHNE/KOSTÜME Sascha Gross
MUSIK Jörg Gollasch
VIDEO DESIGN Bahadir Hamdemir
LICHT Benjamin Schwigon
DRAMATURGIE Karolin Trachte
Mit freundlicher Unterstützung durch die Freund:innen des Berliner Ensembles.
- Naomi Krauss als Leah, Großmutter
- Philine Schmölzer als Wahida
- Dennis Svensson als Eitan Zimmermann
- Martin Rentzsch als David
- Robert Spitz als Etgar
- Kathrin Wehlisch als Norah
- Hadar Dimand als Eden, Soldatin, Rabbinerin
- Rafat Alzakout als Alwazzan, Kellner
- Robert Schuster Regie
- Sascha Gross Bühne/Kostüm
- Jörg Gollasch Musik
- Bahadir Hamdemir Video
- Benjamin Schwigon Licht
- Karolin Trachte, Marion Hirte Dramaturgie