© Moritz Haase

Neue Dramatik I

Szenische Lesungen
Bertolt-Brecht-Platz 1
10117 Berlin
Kontakt & Anfahrt

Theaterkasse

+49 30 284 08 155
theaterkasse@berliner-ensemble.de

Der Vorverkauf für alle Vorstellungen im Dezember bis 5. Januar läuft! Unsere Theaterkasse hat montags bis samstags von 10.00 Uhr bis 18.30 Uhr für Sie geöffnet.

Aktuell keine Termine

Mitten im zweiten Lockdown, der auch Theaterautor:innen hart traf, setzte das Berliner Ensemble einen Fonds auf, um Dramatiker:innen zu unterstützen. An einem Thementag zur Gegenwartsdramatik werden nun die mit Hilfe des Fonds entstandenen Texte in kurzen szenischen Lesungen vorgestellt. Die Teilnehmer:innen diskutieren in verschiedenen Panels über die Schwierigkeiten, unsere Welt mittels Theater zu beschreiben, schreibend die Zukunft zu denken und das Verhältnis zwischen Mensch, Natur und Katastrophe auszuloten.

"Phädra, in Flammen" von Nino Haratischwili gelesen von Nina Bruns, Josefin Platt, Nico Holonics, Paul Zichner

"Rot" von Clemens J. Setz gelesen von Paul Zichner

"One Room (To Madness and Joy)" von Anja Hilling gelesen von Naomi Krauss und Nina Bruns

"Sieres – Fragemente einer scheinbaren Aporie" von Karen Köhler gelesen von Nina Bruns, Maximilian Diehle, Josefin Platt, Peter Luppa

"Neue Dramatik I" ist Teil des Thementags "Unsere Natur?".

PHÄDRA, IN FLAMMEN

VON NINO HARATISCHWILI

"Ich will mein Leben nicht träumen. Ich will es leben."

Lange schon bewegt sich nichts mehr in Athen. König Theseus ist alt geworden; seine Gattin Phädra gelangweilt – sie sehnen sich danach, die Macht hinter sich zu lassen. Demophon, der Erstgeborene, steht auch schon bereit und muss nur noch eben verheiratet werden. Doch mit seiner Braut Persea kommt auch Unruhe nach Athen und in Phädra: Der Hoffnung des Neuen stehen die Ansprüche des Alten gegenüber und die bestehende Ordnung gerät – politisch wie privat – ins Wanken. Plötzlich überlegt auch Theseus, ob er nicht doch bleiben soll ... Mit der Überschreibung des antiken Phädra-Mythos greift Nino Haratischwili mit Blick auf die politische Lage, nicht nur in Ost-Europa und Georgien, parabelhaft Fragen nach Machtpolitik, Emanzipation und politischer Regression auf und zeigt die Verbindung zwischen persönlichem und politischem Verlangen: Wo ist mein Platz in der Welt? Wie will ich leben? Bin ich verantwortlich für meine eigene Freiheit? Was bin ich bereit zu opfern?

NINO HARATISCHWILI wurde 1983 in Tbilissi, Georgien geboren. Sie studierte Filmregie in Tbilissi und Theater-Regie an der Theaterakademie Hamburg. Sie schreibt Theaterstücke und Romane, für die sie mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurde; darunter "Das achte Leben" (Für Brilka) (2014), "Die Katze und der General" (2018) und zuletzt "Das mangelnde Licht" (2022).

 

ROT DIE OUTTAKES DES FABIAN MICHAEL MÖNTGES

VON CLEMENS J. SETZ

"Ihr habt die Wälder getötet, jetzt töten wir euch."

Zwei Tage nach dem tragischen Amoklauf von Fabian Michael Möntges an der Taublacher Volksschule taucht dessen Multimedia-Manifest auf, in dem er sein Attentat und seinen Selbstmord erklärt. Rot zeichnet die Genese dieses Videos nach und zeigt in 43 Clips die einzelnen Stationen eines Menschen, der enttäuscht ist – von sich, von der Welt und von der Gesellschaft. Clemens J. Setz entwirft in seinem Kurzdrama ein collagenartiges Porträt eines jungen Mannes, der vergebens versucht hat, dazuzugehören, der vergeblich seinen Platz in der Welt suchte und der schließlich nicht mehr weiterwusste.

CLEMENS J. SETZ, geboren 1982 in Graz, studierte erst Mathematik und dann Germanistik. Bereits neben dem Studium übersetzte und veröffentlichte er einzelne Gedichte und Erzählungen. Sein Debütroman Söhne und Planeten erschien 2007 und schaffte es auf die Shortlist des aspekte-Literaturpreises. Es folgten weitere Romane sowie Gedicht- und Erzählbände wie "Indigo" (2012), "Die Vogelstraußtrompete" (2014) und "Die Stunde zwischen Frau und Gitarre" (2015). Sein Stück "Die Abweichungen" wurde 2018 in Stuttgart uraufgeführt und 2019 zu den Mühlheimer Theatertagen eingeladen

 

ONE ROOM (TO MADNESS AND JOY)

VON ANJA HILLING

"Come in, disapear."

Eve Z. flieht vor der Einsamkeit ihres Zimmers in eine sich verändernde Großstadt. Sie trifft alte Bekannte und erinnert sich an eine Welt, in der sie sich früher zu Hause gefühlt hat: Die Welt des Nachtlebens. Sie erinnert sich an die DJs, Clubbetreiber, Junkies, Barkeeper und die vielen Fremden, die Nähe und die Liebe zwischen ihnen, die Drogen und die durchtanzten Nächte, die in all ihrer Gefahr auch etwas Friedliches, Organisches hatten – bevor sie verfügbar gemacht wurden. Denn die als magisch inszenierte Dystopie ist einer echten gewichen. Die Schöpfer der Clubszene sind zu ihren Besitzern geworden. Alle sympathisch heruntergekommenen Bars sind neu gestrichen und vermarktet. Zu einem weiteren Ort, an dem sich Leute wohl fühlen können, bei denen eh schon alles gut läuft, statt Orte für die Außenseiter die die Musik brauchen. Und Eve, der die Ausmaße dieses voranschreitenden Wandels schlagartig bewusst werden, rennt weiter durch die Stadt, getrieben von einer großen Sehnsucht, auf der Suche nach dem Kern dieses Gefühls, das jetzt so sehr fehlt.

ANJA HILLING wurde 1975 in Lingen geboren. Sie studierte Germanistik und Theaterwissenschaften an der TU Berlin sowie Szenisches Schreiben an der Universität der Künste Berlin. Ihr erstes Stück Sterne wurde 2003 zum Stückemarkt des Berliner Theatertreffens eingeladen und ausgezeichnet. Ihr Drama "Schwarzes Tier Traurigkeit" (2007) tourte durch ganz Europa und wurde u.a. am Théâtre de la Colline in Paris gezeigt. Seitdem entstanden viele weitere Stücke, u.a. "Garten" (2011), "was innen geht" (2014), oder "Wie kann ich dich finden, zu mir ziehen und überreden zu bleiben" (2017).

 

SIERES FRAGMENTE EINER SCHEINBAREN APORIE

VON KAREN KÖHLER

"Du kannst nicht existieren, ohne Gewalt auszuüben."

Es war einmal die Unschuld der Natur. Doch diese Natur hat eine grausame Regel: "Du kannst nicht existieren, ohne Gewalt auszuüben." Denn da ist der Ursprung und die Natur und hier ist die menschengemachte Welt: Die Pyramide, das System, der Kapitalismus, der ganze Wahnsinn, voller Schuld, Abhängigkeit und Gewalt. Ein Kaleidoskop der verschiedenen Stimmen und Perspektiven unserer Welt: von der YouTube-Influencerin über die Klimaforscherin bis zum Arbeiter in einer kenianischen Coltan-Miene, die alle gleichzeitig, mit- und übereinander hereinbrechen. Ein Stück Welt, gegen das wir wehrlos sind. Karen Köhlers Sieres ist der Versuch, der überbordenden Komplexität der Welt eine Form zu geben. Diese Komplexität setzt sie in den Kontrast zur mythologischen Einheit, verkörpert durch Kiwawk, ein alles verschlingendes Geisteswesen aus der Mythologie der Wabanaki, einem indigenen Volk Nordamerikas – und macht damit "unsere" Sicht auf die Welt hinterfrag- und überwindbar. Lässt sich die Erde nur durch Gewalt retten?

KAREN KÖHLER, geboren 1974 in Hamburg, studierte Schauspiel in Bern und begann 2008 mit dem Schreiben von Romanen und Stücken. Ihr erster Erzählband "Wir haben Raketen geangelt" (2014) schaffte es auf die Spiegel-Bestseller-Liste und wurde für den aspekte-Literaturpreis nominiert. Seitdem hat sie u.a. die Theaterstücke-Reihe "Helden-Trilogie" (2013-15) und ihren Debütroman "Miroloi" (2019) veröffentlicht.