Rechtes Denken
Am 21. September
"Die Kategorien sind in der schändlichsten Verwirrung" lässt Georg Büchner König Peter in seinem Stück "Leonce und Lena" sagen und umschreibt damit treffend auch unsere Gegenwart: Zum einen die Unüberschaubarkeit einer gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Gemengelage, die nicht so leicht in "links" und "rechts" zu ordnen ist, andererseits der Glauben daran, dass eben jenes klare Freund–Feind-Schema, jene Positionierbarkeit zu erfüllen sein müsste. Unsere Zeit ist also geprägt von einer Angst vor Unübersichtlichkeit, einer Angst vor Veränderung, zeitgleich aber von dem Bewusstsein davon, dass es so wie es ist, immer weniger bleiben kann.
Von dieser Situation profitieren nun diejenigen, die klare Verhältnisse versprechen und eine Welt zurücksehnen, die es so homogen und klar in Wahrheit nie gab. Wann und wie diese Welt nun gewesen sei, kann so genau dann auch nicht gesagt werden und man verliert sich in der Wut über diejenigen die zu viel Veränderung einerseits zuließen, anderseits nichts getan hätten. Wie diesem diffusen Gefühl und den sehr klaren Machtfantasien nach Einheit und Reinheit entgegenwirken?
Mit Hannah Arendt könnte man sagen, dem Wirken stehe zunächst das Verstehen gegenüber: Dem unbedingten Widersprechen und dem blinden Kampf gegen eine Bewegung, die unter allen Umständen eben jenen Kampf selbst heraufbeschwören will, ist zunächst ein Verständnis darüber voranzustellen, was überhaupt auf dem Spiel steht. Was bedeutet es denn eigentlich "rechts" zu sein? Welches Gesellschafts- und Menschenbild liegt den Bestrebungen rechter Bewegungen zu Grunde? Und vielleicht entscheidender: Was steht dem gegenüber? Was für eine Gesellschaft wollen wir? Bei allem Willen zur Abgrenzung muss also zumindest geklärt werden: Wogegen.
All zu groß scheint die Angst, sich im Verstehen-Wollen schon schuldig zu machen und so wird dabei leicht übersehen, dass Empörung ohne Verstehen ebenso unheilvoll ist wie Verstehen ohne Empörung.
Der Thementag "Rechtes Denken" widmet sich deswegen dezidiert dem Verstehen politischer Kategorien und dem Erstarken der Aufmerksamkeit für rechte Bewegungen, auf dessen Grundlage dann gestritten, empört und entgegengewirkt werden kann.
KURATIERT VON Johannes Nölting mit Clara Topic-Matutin
12.00 - 13.30 Uhr Neues Haus
WAS HEISST RECHTS? WAS HEISST LINKS?
EIN DEFINITIONSVERSUCH POLITISCHER KATEGORIEN - Vorträge und Podiumsgespräch
Seit der französischen Revolution 1789 werden die beiden politischen Grundgegensätze mit "links" und "rechts" bezeichnet. Doch was meinen diese Zuschreibungen überhaupt? Welche Weltbilder und welches Menschenbild stehen hinter diesen politischen Standpunkten? Und wie sehen sich die Gruppierungen selbst?
Mit Liane Bednarz (Juristin & Autorin), Silke van Dyk (Soziologin)
Moderation Mladen Gladic (Der Freitag)
EINTRITT FREI
14.00 - 15.30 Uhr Neues Haus
ENTSICHERTE JAHRZEHNTE
VORTRAG UND PODIUMSGESPRÄCH
Wo liegen die Gründe und Ursachen für das Erstarken der Aufmerksamkeit für rechte und reaktionäre Bewegungen? Welche historisch-ideologischen Grundlagen, politischen Paradigmen und gesellschaftlichen Prozesse bereiten Populist*innen des rechten Spektrums den Boden, sich auch bei breiten Bevölkerungsschichten Gehör verschaffen zu können?
Mit Paula Diehl (Politikwissenschaftlerin), Wilhelm Heitmeyer (Soziologe), Volker Weiss (Historiker)
Moderation Malene Gürgen (taz)
EINTRITT FREI
14.30 - 16.00 Uhr Werkraum
AUSLÖSCHUNG DER GRAUZONE
WORKSHOP
Der Workshop vollzieht die jüngere Geschichte performativer rechter Medienstrategien im Internet nach und stellt ihre Bedeutung für repräsentatives Theaterschaffen einerseits, das Konzept eines umfassenden demokratischen Dialogs andererseits, zur Diskussion.
Von & mit Arne Vogelgesang (Regisseur)
(Begrenzte Platzzahl. Anmeldung unter: dramaturgie@berliner-ensemble.de)
EINTRITT FREI
16.00 - 17.30 Uhr Neues Haus
POPULISMUS & IRRITATION
STRATEGIEN DER "NEUEN" RECHTEN UND MÖGLICHE GEGENSTRATEGIEN - Vortrag und Podiumsdiskussion
Wie gelingt es Rechten ihre Gegner als jene darzustellen, die Meinungsfreiheit und Lebensweisen einschränken und sich selbst als Opfer zu stilisieren? Welche Rolle spielen dabei die Digitalisierung und die Infragestellung traditioneller Informationskanäle? Was kann man dagegen tun? Wie dieser Vereinnahmung des öffentlichen Raums entgegenwirken?
Mit Oliver Decker (Sozialpsychologe), Per Leo (Historiker), Simone Raffael (Journalistin)
Moderation Andreas Speit (Journalist)
EINTRITT FREI
18.00 - 19.30 Uhr Werkraum
HASS
VORTRAG UND PODIUMSDISKUSSION
Ausgehend von einem Impulsvortrag von Rechtsextremismus-Expertin Andrea Röpke über die Entwicklung und Strategien der sogenannten "neuen" Rechten und insbesondere die Rolle der Frau im rechten Spektrum, diskutiert die Regisseurin von "Mütter und Söhne" Karen Breece mit Aussteiger*innen über das Leben in der rechten Szene, den schwierigen Ausstieg und die Zeit danach.
Vortrag Andrea Röpke (Journalistin, Autorin)
Mit Felix Benneckenstein (Aussteiger), Karen Breece (Regisseurin), Christoph Sorge (Aussteiger)
Moderation Clara Topic-Matutin
EINTRITT FREI
20.00 Uhr Neues Haus anschl. Publikumsgespräch
MÜTTER & SÖHNE
VON KAREN BREECE UND ENSEMBLE
REGIE: KAREN BREECE
Warum radikalisieren sich junge Menschen? In Deutschland, aber auch weltweit, schüren die neue und die alte Rechte erneut Hass gegen Minderheiten und Fremde, predigen Gewalt und reden einer toxischen, kriegerischen Männlichkeit das Wort. Wer sind diese jungen Menschen und was wollen sie? Wird ihre Radikalisierung durch bestimmte familiäre Konstellationen begünstigt? Welche Rolle spielen die Mütter dabei, und welche die Väter? Wie gehen Mütter mit der Radikalisierung ihrer Kinder um?
Die für ihre Arbeit typische intensive Recherche wird Karen Breece zu neuen und alten Rechten führen, zu Neonazi-Aussteigerinnen und -Aussteiger und ihren Familien sowie u.a. zu Menschen, die sich in Aussteigewilligen-Programmen engagieren; genauso aber auch zu Familien, die Opfer rechter Gewalt wurden.
Auf der Basis der Interviews und Gespräche mit diesen Expertinnen und Experten wird sie gemeinsam mit dem Ensemble einen Text entwickeln und auf die Bühne bringen. Ein sehr persönliches und zutiefst politisches Statement zu Deutschland im Herbst 2019.
10117 Berlin Kontakt & Anfahrt
Theaterkasse
+49 30 284 08 155theaterkasse@berliner-ensemble.de
Der reguläre Vorverkauf für alle Vorstellungen Februar beginnt am 3. Januar. Unsere Theaterkasse hat montags bis samstags von 10.00 Uhr bis 18.30 Uhr für Sie geöffnet.