Liebe Nino, du hast die Solidaritätsaktion mit georgischen Theaterschaffenden und ihre Protestaktionen ins Leben gerufen. Was hat es damit auf sich?
Die andauernden Proteste in Georgien gegen die nach russischen Methoden agierende Regierung und für die Neuwahlen, für das Bewahren des europäischen Kurses des Landes, die Freiheits- und Demokratiebestrebungen der Zivilbevölkerung und die unfassbare Gewalt, Inhaftierungswellen und Zensur seitens des Staates und allem voran die sich im Boykott befindenden Künstler:innen, streikende Schauspieler:innen, die an der Front Line und teilweise in Gewahrsam sind – halten mich und viele Georgier:innen seit Monaten atemlos. Ich wollte unbedingt für die georgischen Theatermenschen ein Zeichen setzen, weil sie sehr viel Mut zeigen und sehr hart kämpfen. Ich dachte, dass eine solidarische Aktion seitens Europas ein wichtiges und schönes Zeichen für die Georgier:innen wäre.
Du hast bereits vor einigen Wochen zur Solidarität aufgerufen, im fertigen Video sehen wir auch Footage der Proteste. Wie sieht die aktuelle Situation in Georgien aus?
Nach wie vor sehen wir auf der einen Seite eine unglaublich mutige, kreative, humorvolle, europäische Menschengemeinschaft, die sogar an Silvester zu Tausenden auf der Straße verbringt und zusammenhält. Auf der anderen Seite eine verängstigte, gewaltvoll und diktatorisch agierende Regierung, die so tut als würde all das nicht passieren und sich nicht einmal in der Lage sieht, sich zu der aktuellen Situation zu verhalten. Die Fake News und Propaganda verbreitet und zu weiß – schwarz und zu schwarz- weiß sagt. Die Menschen aber werden nicht weichen. Wir haben sehr viel zu gewinnen und sehr wenig zu verlieren und darin sind sich die meisten einig. Davon bin ich überzeugt.
Entstanden ist ein vielstimmiges Video verschiedener deutscher Ensembles, welche Kraft hat das?
Ich war überwältigt, welch ein Echo das Ganze dann bekommen hat. Ich habe es recht spontan ins Leben gerufen, hauptsächlich die Häuser kontaktiert mit denen ich einen Bezug bzw. ein Arbeitsverhältnis hatte und habe, aber mithilfe von Regisseurin Jette Steckel und dem Verlag der Autoren ist binnen weniger Tage ein übergroßes Theaternetzwerk entstanden, dem sich immer mehr Häuser bereit erklärt haben, sich der Aktion anzuschließen. Anschließend habe ich den georgischen Filmemacher Zaza Rusadze gebeten, mir zu helfen, da es deutlich wurde, dass ich das ganze Videomaterial nicht alleine verwalten kann und so ist dann aus der Aktion ein solch großes und kraftvolles Zeichen entstanden, das wir nach Georgien senden konnten.
In deinem Aufruf war auch von einer Ausstrahlung im georgischen Fernsehen die Rede. In welchem Rahmen wird das stattfinden?
Es gab bereits Beiträge zur Initialzündung dieser Aktion in der georgischen Presse und ich habe das Royal District Theatre in Tbilissi, die die georgische Seite aufgezeichnet hat, das Video an alle oppositionellen Sender zu schicken. Jetzt müssen wir abwarten, wer das alles ausstrahlt. Aber in den Sozialen Medien wurde es bereits sehr viel geteilt und gezeigt.
Wie schaust du selbst auf die Aktion?
Ich bin froh und dankbar über die Bereitschaft so vieler Theater und Schauspieler:innen sich mit meinem Land, das gerade solch einen harten Kampf kämpft zu solidarisieren. Gerade wir, die Künstler:innen und Theatermenschen wissen wie wichtig die Freiheit ist, allein schon, um das ausüben zu können, woran wir glauben.
War das eine einmalige Sache oder wirst du daran anknüpfen?
Ich bin ohnehin ständig mit diesem Thema beschäftigt. Ich schreibe darüber, ich rede darüber, ich mache Veranstaltungen dazu oder demonstriere und da der Kampf noch lange nicht gewonnen ist, werde ich sicherlich auch weiterhin all das fortsetzen müssen. Es ist wichtig, dass Georgien präsent bleibt, dass Europa unterstützt, dass Menschen sich bewusst sind was vor sich geht, welche Machtverschiebungen gerade stattfinden, welche Einflussnahmen. Denn es ist nicht nur ein lokales Problem, es ist ein globales Problem.