In einer Probenpause wendet Claude De Demo sich in den Zuschauerraum und begutachtet uns, die jüngeren Riege im Team, als hätten wir gerade unsere fünfte Portion Zuckerwatte gekauft. „Überlegt euch das gut. Mit dem Kinderkriegen. Jetzt wo ihr die ganze Scheiße hier wisst.“
Stimmt. Die Proben von #Motherfuckinghood versammeln in etlichen Texten, Studien und Gesprächen viele gute Aspekte, die mir das Kinderkriegen nicht gerade schmackhaft machen: Aufs Leben gesehen würde ich eine Million Euro weniger verdienen als ein Vater. Ich wäre entweder Rabenmutter oder Glucke, ich würde nicht schlafen, ich könnte Geburtstraumata erfahren, mich dafür schämen und müsste irgendwie damit zurechtkommen. Ich könnte als Alleinerziehende meinem Kind keinen Urlaub bezahlen, ich würde gegen andere Mütter meine Ellenbögen ausfahren, statt zu kollaborieren. Ich würde kollabieren.
© Matthias Horn
Dabei hatte ich schon vor Probenbeginn ganz viele Gründe gegen das Kinderkriegen. Laut Jutta Allmendinger, mit der während der Proben ein Austausch stattfindet, gehöre ich zu der jüngeren Generation, die sich mehrheitlich gegen eigene Kinder entscheidet. Tatsächlich wollen in meinem persönlichen Umfeld mehr Freund:innen Tante als Mutter werden. Wir mögen Kinder, aber die volle Verantwortung für sie geben wir gerne wieder ab. Das liegt weniger daran, dass wir unsere Zuckerwatte allein schlecken wollen oder nicht mehr glauben, dass die Watte mal gleich verteilt sein könnte. Wir fragen uns eher, ob eine Welt in Waldbränden, mit Rechtsrücken und Gewaltspiralen noch ein Ort sein kann, an dem unsere Kinder es auf Jahrmärkten schön haben können – oder ob für sie nur noch der Müll übrigbleibt.
Je länger die Proben laufen, desto mehr frage ich nach dem Positiven: Warum sind die hier arbeitenden Frauen fast alle Mütter geworden? Wie könnte ich verantworten, Kinder zu kriegen? Mir kommt ein sehr alter Kommentar zu einer fast dreitausend Jahre alten Handschrift in den Sinn, an den ich während meines Theologiestudiums geraten bin. Die Handschrift setzt sich mit einer Zeit auseinander, in der Müttern einer bestimmten Bevölkerungsgruppe ihre Kinder weggenommen wurden. In dem Kommentar fragt eine Tochter, die überlebt hat, ihre Mutter, wie sie in dieser Zeit verantworten könne, ein Kind zu kriegen. Achso, dachte ich beim Lesen, das ist eine Frage, die sich Frauen schon zu allen Zeiten gestellt haben? Eine Frage, über die verschiedene Zeiten mit ihren je eigenen Krisen miteinander in den Dialog treten? Warum gibt es uns überhaupt noch?
In meiner Suche bleibe ich bei dem Textbeitrag von Mareike Fallwickl hängen, in dem über die Mutter-Sohn-Beziehung ein Dialog mit bell hooks entsteht. Darin nehme ich den hoffnungsvollen Wunsch wahr, Menschen in diese Welt zu setzen, die dazu beitragen, dass der Jahrmarkt ein guter Ort ist. Menschen, an die eine Mutter ihr Wissen und ihre Erfahrung weitergibt – welches Verhalten den Jahrmarkt auch für andere Menschen einen guten Ort sein lassen, wie man beispielsweise die Zuckerwatte gerecht teilt oder was es braucht, damit man hier auch in Zukunft Karussell fahren kann. Menschen, die daran glauben, dass der Müll, der sich anscheinend durch alle Zeiten anhäufen will, nicht den meisten Platz einnehmen wird.
Ob jetzt als Mutter oder Tante, ich glaube, dass diese Welt ein lebenswerter Ort bleiben und werden kann; wenn man, wie Jutta Allmendinger sagt, die Erkenntnisse, die man hat, in die Tat umsetzt.