Wer hat Angst vor Ellen Babić?

Eine Einführung zum Stück "Ellen Babić"

Lehrerin Astrid lebt mit Klara, ihrer deutlich jüngeren Lebensgefährtin, zusammen, als sich eines Abends ihr Vorgesetzter Balderkamp zu einem Besuch in der gemeinsamen Wohnung ankündigt. Ein informelles Treffen soll es sein, vielleicht bei einem Glas Wein, doch Klara traut der Sache nicht. Zurecht? Dramaturg Lukas Nowak bereitet Sie auf Ihren Vorstellungsbesuch bei "Ellen Babić" vor.

von Lukas Nowak | 23.02.24

© Matthias Horn

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Astrid, Englischlehrerin, lebt zusammen mit Klara, ihrer deutlich jüngeren Lebensgefährtin – und ehemaligen Schülerin. Sie haben sich eingerichtet, sowohl in der gemeinsamen Wohnung als auch in einer gemeinsamen Erzählung über den Beginn ihrer Beziehung. Berufliches und Privates soll „hygienisch“ voneinander getrennt gehalten werden – moderne Work-Life-Balance eben. Doch dann kommt Astrids Vorgesetzter und Schulleiter Wolfram Balderkamp unerwartet zu Besuch. In „privater“ Atmosphäre soll schnell eine Sache besprochen werden: Auf der letzten Klassenfahrt soll es einen „Vorfall“ gegeben haben. Einen Vorfall zwischen Astrid und ihrer Schülerin. Ellen Babić. 

Auf einmal steht ein schwerer Vorwurf im Raum, der sowohl den Gründungsmythos von Astrids und Klaras Beziehung ins Wanken bringt – als auch alle als sicher geltenden Vorstellungen über das Verhältnis von Beruflichem und Privatem, Patriarchalem und Progressivem, Vergangenheit und Gegenwart. Am Ende ist nur eins gewiss: dass nichts gewiss ist, denn: „Wirklich passiert ist nur das, worauf sich alle einigen.“

"Da hat man dann die Lehrerin im Haus."

Mit "Ellen Babić" hat Marius von Mayenburg ein Kammerspiel über das feine Netz zwischenmenschlicher Abhängigkeiten, unbewusster Machtdynamiken und deren Aushandlungsprozesse geschrieben. Die Antwort auf die Frage, wer von wem abhängig ist und wer über wen Macht ausübt, verschwimmt immer mehr zwischen den Ebenen von sozialer Rollenerwartung, gesellschaftlichem Diskurs und der individuellen Erfahrung und Geschichte der Betroffenen. Und so ist Ellen Babić nicht nur ein klassischer „MacGuffin“ (Hitchcock) – eine zentrale Figur, die im Stück selbst jedoch nicht auftritt – sondern auch Chiffre für gegenwärtige Fragen rund um Macht(missbrauch), #MeToo und die Grenzen unserer beruflichen und privaten Beziehungen.

Audioeinführung

Die Stücke des Autors und Regisseurs Marius von Mayenburg zeichnen sich durch die psychologische Genauigkeit ihrer Dialoge, die situative Komik sowie durch die Aktualität und Schärfe der in ihnen verhandelten Konflikte aus. Mit "Ellen Babić" ist nun erstmals ein Text von ihm am Berliner Ensemble zu sehen. 

"Ellen Babić" ist eine Koproduktion mit dem Theater Winterthur.

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