Einblicke

Unsere Perspektiven für ein neues Narrativ

Ein Rückblick auf "Antworten auf Aufführungen: Boysick"

Niemand ist darauf vorbereitet, Opfer einer Straftat zu werden. Ist man denn vorbereitet, Täter einer Straftat zu werden? Zwei Mitglieder des jungen Ensembles von "Antworten auf Aufführungen" blicken zurück auf ihre szenische Antwort zur Inszenierung von "Woyzeck" am Berliner Ensemble.

von Luka Adelie Ludwig (16 Jahre) und Finja Kleinod (20 Jahre) | 06.06.24

© Birte Zellentin

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"Antworten auf Aufführungen" ist ein neues Format am Berliner Ensemble. Ihr habt von Februar bis Juni 2024 daran teilgenommen und standet mit "Boysick" auf der Bühne. Wie würdet ihr das Projekt zusammenfassen?

 

Das Projekt bringt eine Gruppe von jungen Menschen zusammen, um eine Geschichte zu erzählen, die nicht nur unterhält, sondern auch zum Nachdenken anregt: Versionen einer Vergangenheit werden in der Gegenwart aus den Perspektiven von zehn jungen Menschen zwischen 15 und 28 Jahren zu einer neuen Inszenierung mit zeitgemäßen Wahrheiten.

Durch unsere Leidenschaft, Kreativität und Zusammenarbeit zeigen wir als Darsteller:innen, dass die Jugend von heute nicht nur Zuschauer:innen, sondern auch aktive Gestalter:innen des Geschehens auf der Bühne und im Leben sind.

Wir Teilnehmende wurden von zwei großartigen Theaterpädagoginnen, Elly Jarvis und Leonie Ahmer begleitet. Ausgehend von Reflexionen zur Inszenierung "Woyzeck" von Ersan Mondtag, die hier im Berliner Ensemble gespielt wurde, aber auch von weiteren Inszenierungen der Vergangenheit, ihren Begleitumständen und Entstehungsbedingungen, und dem Text von Büchner entwickelten wir Fragen und unterschiedliche eigene Szenen.

© Birte Zellentin

Welche Fragen haben euch an Büchners Stück "Woyzeck" besonders beschäftigt?

 

Niemand ist darauf vorbereitet, Opfer einer Straftat zu werden. Ist man denn vorbereitet, Täter einer Straftat zu werden?

Kann ein Opfer selbst zum Täter werden? Kann der Täter zum Opfer werden?

Passiert das, bevor er Schuld empfindet, oder Reue, oder die Konsequenzen seiner Handlungen spürt?

Trägt jemand Schuld, wenn alle auf denjenigen einhacken?

Trägt dieser Jemand Schuld, wenn er sich dann wehrt?

Wiegt die Schuld weniger, wenn sie einfach auf alle Beteiligten verteilt wird?

Wo bleibt die Schuld, wenn keiner die Verantwortung für sie übernimmt?

Spielt dies alles überhaupt eine Rolle, wenn es um Mord geht?

Bei "Antworten auf Aufführungen" bildet ja die Inszenierung auf der Bühne den Ausgangspunkt der eigenen Stückentwicklung. Was hat euch an Ersan Mondtags "Woyzeck" umgetrieben?

 

Wir untersuchten unsere diversen Perspektiven auf den Stücktext von Georg Büchner, die männliche Besetzung der Inszenierung und deren Wirkung und verstanden, dass unsere vor allem weibliche Perspektive die Geschichte in ein neues Narrativ führt! Auf dieser Erkenntnis basierten unsere folgenden Arbeitsschritte. Wir befassten uns stark mit tiefgründigen Themen, wie Femizide oder allgemein die Wirkung von Frauen in einem so gewaltvollen Stück wie diesem.

 

 

Was nehmt ihr aus dem Projekt mit?

 

Nach intensivem Austausch und Diskussionen lag es an uns, ein Stück auf die Beine zu stellen, welches unsere selbst gelegten Schwerpunkte beleuchtet. Für ein paar von uns war das die erste Theatererfahrung und diese auf den Brettern einer so traditionsreichen Bühne, wie die des Berliner Ensembles erleben zu dürfen, war für uns alle eine unfassbar große Ehre.

Während dieser wundervollen Zeit entstanden Kernerinnerungen, Freundschaften und Beziehungen auf einer völlig anderen Ebene, wie sie sich im Alltag so nicht ergeben würden. Auch, weil wir eine große Altersspanne, 15 bis 28 Jahre, hatten. In den vergangenen vier Monaten war es ein intensives Miteinander, bei dem wir uns sehr aneinander gewöhnt haben, weswegen der Abschied schwer fiel. Dennoch wissen wir, dass die Erfahrungen, die wir hier sammelten, uns auch in Zukunft weiter prägen werden. Wir danken dem tollen, fürsorglichen Team und den Zuschauer*innen für ihr überwältigendes, positives Feedback.

"Wir sind nicht nur Zuschauer:innen, sondern auch aktive Gestalter:innen des Geschehens auf der Bühne und im Leben" Luka Adelie Ludwig und Finja Kleinod

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