Backstage

Das Bühnenbild als Mitspielerin

Für die Inszenierung "Tod eines Handlungsreisenden" entwarf Marlene Lockemann eine bewegliche Bühne, die buchstäblich mit den Ebenen spielt und so zur Akteurin wird. Wir haben die Bühnenbildnerin für Sie befragt. 

Marlene Lockemann und Inke Johannsen | 07.10.24

© Jörg Brüggemann

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Marlene, wie bist du an den Entwurf deines Bühnenbildes für "Tod eines Handlungsreisenden" herangegangen? 

Mich interessieren vordergründig choreographische Räume. Ich liebe es, mir technische Mechanismen auszudenken, die den Raum und die Spielenden selbst in Bewegung setzen. Bildtransformationen begeistern mich, Konstruktionen, die zu atmen scheinen und eine Choreographie des Raumes ermöglichen. Für meinen Bühnenbildentwurf zu „Tod eines Handlungsreisenden“ von Arthur Miller habe ich einen Mechanismus entwickelt, mit dem sich zwei Welten herstellen lassen, eine realistische und eine abstrakte, innere. Das Bühnenbild wird so zur Mitspielerin.

 

Inwiefern wird die Bühne zur Mitspielerin?

Im Stück verfällt die Hauptfigur Willy Loman immer wieder, inmitten einer realen Situation, in wahnhafte Zustände, in denen ihm Figuren aus der Vergangenheit und andere absurde Situationen begegnen. Ich habe mich also gefragt, inwiefern man räumlich aus der Realität in innere Welten und Zwischenräume „fallen“ kann bzw., ob es möglich ist, auf der Bildebene sprichwörtlich in Erinnerungen „zu versinken“.

Das Bühnenbild besteht aus einer rechteckigen Spielfläche, ein Plafond, das mit den technischen Zügen im Neuen Haus fest verbunden ist und sich dadurch anheben und herabsenken lässt. In diese Ebene ist eine kreisrunde Öffnung eingelassen, die man als Zuschauer:in zunächst nicht erahnt. 
So kann Willy am Familientisch in einer naturalistisch angedeuteten Küche sitzen und dann beginnt sich plötzlich der ganze Raum um ihn herum zu bewegen und fährt nach oben weg: Er scheint aus der Realität zu fallen und in einem leeren Lichtraum zu versinken. Dafür muss er sich nicht bewegen, sondern einfach auf dem Küchenstuhl sitzen bleiben, der mit ihm zusammen in den Abgrund fährt.

Das Stück spielt sich also zwischen diesen zwei Welten ab:
Der realistischen Ebene auf dem Plafond und der darunter liegenden wahnhaften, inneren Ebene im Lichtraum.

Vor welchen technischen Herausforderungen standest du mit deinem Bühnenbildentwurf?

Da der bewegliche Raum beim Anheben, kaum merklich, immer doch etwas in Schwingung gerät, mussten wir das runde Podest, auf dem Willy Loman, scheinbar in den Abgrund fährt, immer kreisrund etwas kleiner fräsen um zu gewährleisten, dass der Raum auch wieder richtig um das runde Podest herum aufsetzten würde, wenn die realistische Welt sich wieder um ihn herum absenkt. Die obere Platte und die Konstruktion des runden Podests wurde konisch angeschrägt, um sich selbst wieder einzufädeln, wenn der Raum langsam wieder runter kommt.

Außerdem: Damit der Raum nicht zu schwer wird, mussten wir alle Elemente auf der Spielfläche wiegen und bei allen Möbeln darauf achten, dass wir möglichst leichte finden, was bei einer Einrichtung der 50-er Jahre nicht einfach war.

Marlene Lockemann wurde 1989 in Berlin geboren. Von 2012 – 2017 studierte sie Bühnenraum und freie Kunst an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg bei Professor Raimund Bauer.

Marlene Lockemann entwickelte Bühnenräume u. a. für Inszenierungen im Berliner Ensemble, im Volkstheater und Residenztheater in München, am Theater Bremen, im Deutschen Schauspielhaus Hamburg, in der Hamburgischen Staatsoper, im Hebbel am Ufer in Berlin und auf Kampnagel in Hamburg. Für ihren Bühnenraum für "Katzelmacher", 2016 im Münchner Volkstheater (Regie: Abdullah Karaca) wurde sie im Rahmen der Kritikerumfrage des Magazins Theater heute als beste Nachwuchsbühnenbildnerin des Jahres 2016 nominiert. Weitere Nominierungen in dieser Kategorie erfolgten in 2021 für ihr Bühnenbild für "Elektra" (Regie: Rieke Süßkow) am Berliner Ensemble und in 2022 für ihren Bühnenraum für "Danke, Deutschland!" (Regie: Dor Aloni) auf Kampnagel in Hamburg. Gemeinsam mit dem Team um den Regisseur Dor Aloni wurde sie mit "Danke, Deutschland!" 2020/2021 für den Körber Preis für junge Regie nominiert. Für "Mein Lieblingstier heisst Winter" am Schauspiel Frankfurt wurde Marlene Lockemann zweimal in der Kritiker:innenumfrage von Theater heute in 2023 nominiert – einmal als beste Nachwuchskünstlerin und einmal für das beste Bühnenbild.

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