Katharina Thalbach hat eine ganze Reihe von Bildern und Geschichten in ihrem künstlerischen Leben produziert, die legendär geworden sind. Ihre schnoddrige Sinnlichkeit und ihr Bauchnabel voller Brausepulver in Volker Schlöndorffs oscarprämierter Verfilmung der „Blechtrommel“ gehört dazu. Oder die erste Regie der jungen Katharina Thalbach, ein „Macbeth“ in der winzigen Schillertheater-Werkstatt, der dort 1987 die Wände zum Beben brachte.
Brecht, eine der zentralen Figuren in ihrem Leben, wiegte sie auf den Armen, als sie noch ein Kleinkind war, – sie selber kann es nicht erzählen, sie war zwei als Brecht 1956 starb – aber sie riss ihm angeblich immer wieder die Mütze von Kopf. Später hat sie ihn gespielt und inszeniert.
Das „Berliner Ensemble“, dem Brecht seinen unvergleichlichen Namen gab, war ihre Kinderstube, ihre Schule, der Ort ihrer ersten Triumphe. Brechts Frau, die große Schauspielerin Helene Weigel, ihre erste, prägende Lehrerin. Schon mit 15 Jahren spielte Kathi Thalbach ausgerechnet eine der Huren in der „Dreigroschenoper“. Davor war sie, so erzählt sie selbst in einer Mischung aus Stolz und Verlegenheit, bereits in Brechts Eröffnungspremiere „Mit Pauken und Trompeten“ unter der Ko-Regie ihres Vaters Benno Besson dabei, im schwangeren Bauch ihrer Mutter Sabine Thalbach. Weigels Lebensrolle, die Mutter Courage, spielte Thalbach bereits in jungen Jahren in der Inszenierung des herrlich grell inszenierenden Unterhaltungskünstlers Jerome Savary in Paris, ausverkauft über Monate.
Katharina Thalbach auf der Bühne
Wir haben uns kennengelernt am Gorki Theater während der Intendanz von Bernd Wilms, der damals berufen war, um das zur Schließung ausgerufene kleine Gorki-Theater entweder in eine neue Zeit hineinzuretten – oder zu begraben. Nachdem Kathi hier mit der größten Berliner Schauspieler-Legende und (Quartals)Trinker Harald Juhnke am Ende eine bejubelte Inszenierung herausbrachte, war klar: Ein Haus, an dem ein solches volkstheaterhaftes Ereignis beinahe 200 Mal die Bühne füllte, kann man nicht schließen. Und als der todmüde Juhnke nach 80 Vorstellungen nicht mehr konnte, hat die unerschrockene Regisseurin selbst die Titelrolle des armen Schusters Wilhelm Voigt übernommen – zu einer Zeit, in der es noch keineswegs Mode war, dass Frauen Männerrollen spielen. Kathi Thalbach war da schon eine dieser wahnsinnig starken Frauen, die ihrer Zeit voraus sind – auch wenn sie sich bestimmt nicht als Feministin bezeichnet hätte.
Bis heute war und ist Katharina Thalbach eine Gratwandlerin zwischen ebenso ernsthaftem wie herrlich albernem Theater – ob es nun der kleine Außerirdische in „Hase Hase“ am alten Schillertheaters war oder die Miss-Merkel-Krimis. Aber sie hat eben auch die „Aida“ an der Dresdner Semperoper inszeniert.
Gerade erarbeiten wir ihre neue szenische Lesung, diesmal wird der Staub von Irmgard Keuns erstem Roman gepustet: „Gilgi – eine von uns.“
Katharina Thalbach, du gehörst einfach zu Berlin, gehörst ans BE, und das soll noch lange so bleiben – zu deinem Geburtstag feiern wir dich auf deiner Bühne: Happy Birthday, Kathi!
Dein Oliver Reese