Fritzi Wartenberg gehörte in der Spielzeit 2022/23 dem ersten Jahrgang des Nachwuchsregieprogramms WORX an und hat in dieser Zeit zwei Stücke im Werkraum inszeniert: "The Writer" von Ella Hickson sowie "Alias Anastasius" von Matter*Verse, das als Auftragswerk nach einer Idee von Fritzi Wartenberg entstanden ist. "The Writer" und "Alias Anastasius" sind beide ins Repertoire des Berliner Ensembles übergegangen.
Fritzi Wartenberg hat sich nach Meinung der Jury bestehend aus Dramaturgin Amely Joana Haag, Prof. Dr. Matthias Warstat von der Freien Universität Berlin und Rebecca Lyson, Mitglied des Vorstands der BE-Freund:innen, mit beiden Inszenierungen als vielversprechende junge Regisseurin bewiesen und hat die Jury nicht nur durch ihre künstlerischen Fähigkeiten und ihre Tiefgründigkeit beeindruckt, sondern auch durch ihre offene Haltung und Arbeitsweise. Hier finden Sie die Jurybegründung.
© Moritz Haase
Laudatio
Aus Sicht der Jury sind Fritzi Wartenberg bereits in der WORX-Reihe zwei Inszenierungen von besonderer Intensität und Prägnanz gelungen, die grundlegende Fragen des Theaters auf ebenso radikale wie spielerisch-ironische Weise reflektieren.
In "The Writer" sind es die traditionell patriarchalischen und kapitalistischen Strukturen des bürgerlichen Theaterbetriebs, die ausgestellt und auf ihre anhaltende Relevanz für Gegenwartstheater befragt werden. In "Alias Anastasius" gestaltet Fritzi Wartenberg eine historische Figur, die im frühen 18. Jahrhundert aufgrund der Überschreitung tradierter Geschlechtergrenzen die ganze repressive Gewalt der feudalen Gesellschaft zu spüren bekam. Auch diese Inszenierung gibt allen Anlass, über das heutige Theater des Alltags und der Kunst in seinen Begrenzungen und Ausschlussmechanismen nachzudenken. Mit ihrer neuen Produktion "Malina" entwickelt sie eine neue Lesart von Ingeborg Bachmanns herausragendem Roman zu den Befreiungsversuchen einer Frau und schafft es mit ihrer eindringlichen Inszenierung, den paradigmatischen Text einer klassischen Phase des Feminismus für ein heutiges Publikum neu zum Sprechen zu bringen.
Wenngleich uns diese Inszenierungen je für sich begeistert haben, möchten wir mit dem Helene Weigel Theaterpreis nicht eine einzelne Produktion von Fritzi Wartenberg auszeichnen, sondern ihre besondere Arbeitsweise und Haltung als Regisseurin. Obwohl weiterhin dem Regietheater verpflichtet, pflegt Fritzi Wartenberg einen betont kollektiven Stil und bindet nicht nur das gesamte Ensemble in die kreativen Entscheidungsprozesse ein, sondern hat - wie Helene Weigel - dabei immer die Institution Theater als Ganze im Blick, in die sie sich umfassend einbringt.
Durch ihre große Aufgeschlossenheit und ihre integrative Art gelingt ihr auch ein besonderer Kontakt zum Publikum - einerseits durch ihre sprechenden und affektiv einnehmenden Inszenierungen, andererseits aber auch, wenn sie die Proben für Publikum öffnet oder sich nach den Aufführungen ins Gespräch mit Zuschauerinnen begibt. Es ist ein betont offener und sensibler Inszenierungsstil, der sich gegenüber dem Ensemble wie gegenüber dem Publikum gleichermaßen öffnet, anstatt die eigene Autorschaft über alles zu stellen. Wir sehen Fritzi Wartenberg in diesem Sinne als Wegweiserin für eine kommende Generation von Regisseur:innen.
Wir erkennen in Fritzi Wartenberg nicht nur eine vielversprechende Regisseurin der Gegenwart, sondern auch der Zukunft. In der Spielzeit 2024/25 wird sie mit dem Stück "Biedermann und die Brandstifter" von Max Frisch erstmals im Großen Haus inszenieren. Ihre lebendige Herangehensweise an die Kunst des Inszenierens verspricht, auch weiterhin bedeutende Beiträge zum Theaterleben zu leisten. Der Helene Weigel Theaterpreis soll dazu beitragen, Fritzi Wartenbergs künstlerische Reise zu unterstützen und ihre positive Wirkung auf die Theatergemeinschaft zu stärken.
Herzlichen Glückwunsch, Fritzi Wartenberg! Wir freuen uns darauf, zu sehen, wie du auch in Zukunft die Bühnen dieser Welt mit deiner Kreativität und Offenheit bereicherst.