Backstage

Das Geheimnis der Drehbühne

Was haben sowjetische Panzer mit der Bühne des Theaters am Schiffbauerdamm und der ehemaligen Intendantin Helene Weigel zu tun? Dafür nehmen wir Sie mit in die Unterbühne des Berliner Ensembles und lüften das Geheimnis der Drehbühne im Theater am Schiffbauerdamm.

von Ingo Sawilla | 20.05.24
Holzkonstruktion der historischen Drehbühne

© Moritz Haase

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Die historische Drehbühne des Berliner Ensembles befindet sich in der Unterbühne im Keller des Theaters. Direkt darüber auf der Bühne finden jeden Tag Proben statt, Bühnenauf- und -abbau, Premieren und Uraufführungen und fast 50 Repertoirevorstellungen im Wechsel, jeden Tag Hochbetrieb von morgens bis abends. Darunter fließt die Panke durch Berlin Mitte.

Hier unten im Dunkeln, wo übrigens auch Szenen für die Serie "Babylon Berlin" gedreht wurden, befindet sich die imposante Grundkonstruktion der BE-Drehbühne. Das gesamte Gewicht der Drehbühne wird von einem Holzturm in der Mitte gehalten, nach den Entwürfen holländischer Windmühlen gebaut. Max Reinhardt ließ die Drehbühne 1905 hier im Theater einbauen, für seine spektakuläre Inszenierung von Shakespeares "Sommernachtstraum". Es war die zweite Drehbühne, die es jemals in Deutschland gab – damals eine Sensation für das Publikum. Seitdem, also bereits seit über 100 Jahren, hält das Holzgerüst das Gewicht der Drehscheibe.

Holzkonstruktion der historischen Drehbühne

© Moritz Haase

Aber was ist überhaupt eine Drehbühne? Ein Drehbühne ist eine Konstruktion unter der Bühne, die es ermöglicht, eine kreisrunde Fläche des Bühnenbodens kontrolliert zu drehen. Drehbühnen kamen bereits im 18. Jahrhundert im Japanischen Kabuki-Theater zum Einsatz, bevor sie auch in Europa verwendet wurden. Für das europäische Theater wurde die Drehbühne entwickelt, um auf den schwerfälligen illusionistischen Ausstattungsbühnen des 19. Jahrhunderts schnellere Szenenwechsel zu ermöglichen. Auch heute noch dienen sie vor allem schnellen Umbauten und Verwandlungen des Bühnenbilds.

Als das Berliner Ensemble am Schiffbauerdamm einzog, ließ Bertolt Brecht die Scheibe der Drehbühne vergrößern. Sie hat seitdem einen Durchmesser von 12 Metern. Berühmt ist der Einsatz der Drehbühne in "Mutter Courage und ihre Kinder", wo Helene Weigel den Marketender-Wagen zieht.

 

Panzerräder für die BE-Drehbühne

Bertolt Brecht und Helene Weigel hatten die Idee, so die Legende, bei ihrem Einzug ins Theater am Schiffbauerdamm Panzerräder in die Drehbühne einbauen zu lassen, damit sie möglichst langlebig und widerstandsfähig ist. Brecht fuhr dafür angeblich zum sowjetischen Stützpunkt Karlshorst, war aber mit seinem Ansinnen nicht erfolgreich – er bekam keine Räder. Also fuhr Helene Weigel hin. Willensstark und geschickt wie sie war, machte sie einen Tauschhandel mit den dortigen Panzer-Beauftragten der sowjetischen Bestatzungsmächte aus: Das Berliner Ensemble bekommt T-34 Panzerräder für den Betrieb der Drehbühne, und Karlshorst bekommt dafür gelegentlich Aufführungen des Berliner Ensembles. Seither fährt die Drehbühne im Berliner Ensemble auf 32 Rädern eines sowjetischen T-34 Panzers. Bis heute musste keines der Räder ausgetauscht werden, heißt es, auch wenn einige Reserveräder in der Unterbühne lagern.

Diese und weitere Geschichten aus 130 Jahren Theater am Schiffbauerdamm finden Sie auch in unserer kostenlosen AR-App "BE backstage".

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